Herausgabe (mit Jan Assmann u. Bernd Janowski), Gerechtigkeit. Richten und Retten in der abendländischen Tradition und ihren altorientalischen Ursprüngen, München: Fink, 1998.

Gerechtigkeit ist in den altorientalischen Kulturen ein Zentralbegriff nicht nur des rechtlichen, sondern auch des politischen und sozialen Denkens. Die ägyptischen, akkadischen, hebräischen und griechischen Begriffe für Gerechtigkeit beziehen sich auf den gesellschaftlichen, politischen und kosmischen Zusammenhang. Ihnen ist gemeinsam, daß sie immer auch „Weltordnung” mit-bedeuten: gerechtes Handeln ist ein Handeln in Übereinstimmung mit dem der Welt inhärenten Sinn. Ferner ist dieser Begriff von Gerechtigkeit dadurch gekennzeichnet, daß er mehr umfaßt als das „Recht” im strengen Sinn, ja er kann sich geradezu auf das Gegenteil, auf die Aufhebung des Rechts beziehen und Begriffe wie Gnade, Erbarmen und Rechtsverzicht umfassen. Richten und Retten, zwei in unserer Vorstellungswelt eher entgegengesetzte Begriffe – man denke nur an den Schluß von Faust I -, sind im Rahmen der altorientalischen Gerechtigkeitsidee geradezu synonym.