Predigt in der Peterskirche zu Heidelberg, am ersten Advent, 29. November 2015
Text: Römer 13,8-12
Die Liebe als eine Bringschuld, die Liebe also als Pflicht anderen Menschen gegenüber – ist das nicht das Ende aller Liebe, liebe Gemeinde? Ist die Liebe nicht gerade das Gegenteil einer Pflicht, ist sie nicht Ausdruck reiner Neigung? Paulus aber geht noch weiter, denn er stellt fest, dass wir die Liebe allen Mitmenschen schulden, und zwar ständig! Die Liebe als ständige Schuld allen Mitmenschen gegenüber – ist das nicht absolut unrealistisch, ist das nicht eine völlig verstiegene, wenn nicht gar unredliche Forderung? Wo bleiben bei Paulus die starken Gefühle, die mit der Liebe einhergehen? Und die sich auf ganz bestimmte Menschen richten, nicht aber ausweitbar sind auf alle Mitmenschen? Mit der Liebe verbinden wir doch starke Gemütsbewegungen und eine Auszeichnung besonderer Mitmenschen.
Wenn von Liebe die Rede ist, denken viele Menschen zunächst an die romantische Liebe, vielleicht eingeleitet mit dem sogenannten Blitzschlag der Liebe, mit dem coup de foudre d’amour. Dieser Liebesauftakt kann höchstes Glück bedeuten und kann sich unter in Liebe
Verbundenen wiederholen, sogar über Jahre hinweg. Doch es wäre ganz absurd zu erwarten, dass sich solche Liebe auf alle Menschen richten könne; es wäre absurd zu behaupten, man sei sie allen Menschen schuldig.